Warum tut man sich das an?

Für einen Computernarren wie ich es bin gibt es nichts Schlimmeres als sagen zu müssen: „Mein Computer funktioniert nicht mehr richtig!“ Mit Entsetzen in der Stimme sagte ich diese Worte zu meinem Mann, an einem Sonntagnachmittag um zwei.

Beim Starten erschien bereits seit einiger Zeit eine Meldung, die besagt meine Festplatte wäre fehlerhaft. Nach dem ich dreimal, zwei geschlagene Stunden, gewartet hatte bis Scandisk die 30 GB-Platte überprüft und als fehlerfrei deklariert hatte und sich die Meldung, samt anschließendem Starten von Scandisk dennoch unverdrossen bei jedem Systemstart zeigte, bin ich dazu übergegangen diesen Vorgang mit einem Schulterzucken und dem Abbrechen-Befehl zu ignorieren. Wochenlang ging das wunderbar so, der Rechner lief stabil, und ich konnte gut arbeiten. Doch dann traf ich, an besagtem Sonntag um 9 Uhr morgens, eine folgenschwere Entscheidung. Das ich allen Ernstes den Versuch unternahm, meinen altgedienten, zuverlässigen Duron-Prozessor gegen eine höherwertigen Athlon zu auszutauschen, scheint mir der Rechner wirklich übelgenommen zu haben. Bald war offensichtlich, dass trotz neuem, passenden Motherboard dem neuen Athlon-Prozessor nicht einmal ein Piep zu entlocken war, von einer Bildschirmanzeige irgendeiner Art ganz zu schweigen. Nach 2 Stunden Lüftermontieren und –demontieren, Motherboard wechseln und Kabel umstecken, wurde mir mit, von der Anstrengung die Lüfterbefestigungsspangen in Position zu drücken, schmerzenden Händen und mutlosem Herzen klar, daß ich den Duron nebst altem Motherboard doch wieder einbauen musste, wenn ich eine Chance haben wollte meine Emails noch in dieser Woche zu lesen. Gesagt getan, noch mal in die Eingeweide des Elektronen-Deppen getaucht und den Ausgangszustand wieder hergestellt. Dabei habe ich mir noch einen Fingernagel an dieser vermaledeiten Lüfterbefestigungsspange so eingerissen, das ein Pflaster die Blutung stoppen musste. Aber selbst dieses „Blutopfer“ konnte das Verhängnis nicht mehr aufhalten. Putzi-Rechner war offensichtlich ob der Operation schwer beleidigt! Eine Fehlermeldung nach der anderen erschien, Programme die immer einwandfrei gelaufen waren, starteten auf einmal nicht mehr und selbst Hardware, die ich gar nicht angetastet hatte, wurde nun auf einmal nicht mehr erkannt. Nach einigen software- und treibertechnischen Rettungsversuchen und noch einmal drei Stunden später wurde mir klar; die einzige Möglichkeit diesen Rechner wiederzubeleben ist: „Format C:“.

Nun wird jeder der sich ein wenig mit Computern auskennt die Tragweite eines solchen Unterfangens erkennen. Technisch weniger beschlagenen Mitmenschen sei erklärt, dass dieser Befehl die komplette Löschung sämtlicher auf der Festplatte befindlicher Daten nach sich zieht. Da heißt es wohl zu planen und sicher zu stellen, dass man alle wichtigen Daten erst einmal von dem maroden System auf eines der funktionierenden Teile des Ethernet-Netzwerkes umlagert. Mausi-Rechner erschien geeignet. Dort auf der Festplatte war noch genügend Raum für all die kleinen und großen Dateien die sich so ansammeln wenn man einen Computer nicht nur zu spielen benutzt. Also frisch ans Werk! Erst mal die Daten sichten und dann via Ethernet nach C-Mausi verschieben. Plötzlich ein Aufschrei von Rechts. Mein Mann, Besitzer des Mausi-Rechners, vertieft in ein Computerspiel fährt hoch und schaut ärgerlich, sagt fassungslos: „Neeeiiiiinnnn!“ Meine Sicherungsaktion hat sein Spiel zum Absturz gebracht und der letzte gespeicherte Spielstand liegt 2 Stunden zurück. Peinlich. Beschwichtigend erkläre ich, das er doch so gut in diesem Spiel sei, dass es ihm jetzt ja ein Leichtes wäre, die Spielzüge zu wiederholen. In längstens einer Stunde habe er wieder die selbe Position wie vor dem Absturz. Skeptisch blickend und leise murmelnd verkrümelt sich mein Mann ins Wohnzimmer und schaltet den Fernseher ein. Ich glaube seinen gemurmelten Worten etwas entnommen zu haben wie: „Der stürzt wenigstens nicht ab, weil Sie irgendwelche Daten verschiebt.“

Endlich ist die Sicherung vollbracht, da fällt mir ein, das es vielleicht sowieso intelligenter wäre, wenn ich die Daten gleich auf eine CD-ROM brenne, weil - man weiß ja nie und ein Unglück kommt selten allein. Also alle Daten wieder zurück und CD’s brennen. 3 Stück. Es ist doch immer wieder erstaunlich wie viele Daten sich sammeln die man zwar nie anschaut, aber auch nicht löschen möchte, weil man vor Jahren Stunden an der Zeichnung saß, die man dann doch nie verwendet hat.

Siedendheiß fällt mir ein, das ich ja neue Treiber für so manche Hardwarekomponente aus dem Internet geholt hatte. Die liegen ja auch auf der Festplatte und werden doch für die Neuinstallation gebraucht. Jetzt kommt die große Planung. Mit den Interrupts der Ethernet-Karten hatte ich dereinst so meine Schwierigkeiten, die schreib’ ich besser auf bevor ich lösche. Dann muß ich noch die Speicherbelegung von der Fritz! Ach nein doch nicht, die konfiguriere ich nachher einfach neu. Was noch? Ach ja das Spiel, das ich letzte Woche für Pascals Hasi-Rechner downgeloaded habe. Das muß auch noch gesichert werden, ich bin noch nicht zum installieren gekommen. Oweia, meine ganzen Favoriten im Internet Explorer. Beim letzten Crash waren alle weg und es hat Monate gedauert sie wieder zusammenzusuchen, also auch sichern. Mittlerweile ist die zweite Treiber und Software CD voll und es wird 16 Uhr. Mein Mann stellt mir wortlos einen Kaffee hin. Er kennt das schon, sein Motto für solche Situationen lautet: „Die Frau besser nicht ansprechen, wenn der Computer Mucken macht“ Helfen kann er mir sowieso nicht, also lässt er mich lieber in Ruhe und schont unsere Beziehung. Mein zerstreutes: „Danke, Liebling!“ wird nur mit einem milden, wissenden Lächeln beantwortet, während er den Raum leise wieder verlässt.

So hab ich jetzt alles? Ich klicke mich durch alle Verzeichnisse um sicherzustellen, das ich nichts übersehen habe. Da fällt mein Blick auf ein kleines hellbraunes Symbol. Ach du Schreck! Die Adressen in Outlook und die Termine in selbigem Kalender Aber wenigstens das ist kein größeres Problem, die kann ich ja im Handheld ablegen und hinterher wieder synchronisieren. So jetzt aber, alles gesichert und 6 CD’s voll mit allen möglichen Daten. Nächster Schritt der Planung ist sämtliche für die Neuinstallation benötigte Software zu suchen und bereit zu legen. Der Stapel wächst während ich geistig die Liste meiner am meisten benutzen Programme abhake. Schlussendlich liegen 20 CD’s da, mit mehr oder minder großen Programmen, die ich für meine Arbeit und meine sonstigen Interessen für unverzichtbar halte. Daneben ein Häufchen mit Treibern für die Hardware. Mir dämmert gerade der tatsächliche Umfang dieser Aktion und ich fühle mich versucht es weiter mit Reparatur zu versuchen, in diesem Moment stürzt Putzi-Rechner wieder ab und zwar ohne das ich auch nur in die Nähe eines Eingabegerätes gekommen wäre. Mechanisch drücke ich den ATX-Taster solange bis der eingefrorene Computer sich ausschaltet. Ich atme tief durch und schiebe die Boot-Diskette ins Laufwerk. Mein Zeigefinger legt sich zögernd auf den Power-Knopf. Könnte ich nicht doch? Energisch drücke ich den Taster hinein, entschlossen das Begonnene doch zu Ende zu führen. Die Hoffnung auf ein stabiles System ohne Fehlermeldungen treibt mich an, als ich nach dem Bootvorgang von der Diskette, die verhängnisvollen Zeichen tippe: F O R M A T C :. Kurz verweile ich noch mit dem Zeigefinger über der Enter-Taste schwebend, noch könnte ich zurück. Doch dann drücke ich die Taste und bestätige schnell die Sicherheitsabfrage mit j, bevor ich es mir doch noch anders überlege. Dann sehe ich gebannt zu wie der Formatierungsvorgang startet. 10 Prozent, 15 Prozent, langsam frisst sich die Löschung über die Festplatte. Es ist langweilig, dabei zu zu sehen, wie sich die Anzeige langsam höher quält. Bei 30 % gehe ich erst mal ins Wohnzimmer um meinem Mann mitzuteilen, das die Formatierung läuft und keine Gefahr mehr besteht, das ich seinen Rechner zum Absturz bringe, er könne wieder spielen. Doch er winkt ab. Wenn mein Rechner nicht läuft ist es besser die Gefahrenzone in unmittelbarer Nähe meiner Person zu meiden. Dann hole ich mir noch eine Tasse Kaffee. Es ist 18 Uhr.

Die Anzeige der Formatierung ist jetzt bei 47%, das kann noch dauern. Suchend schweift mein Blick im Büro umher, was könnte ich derweilen tun? Schließlich fällt mein Blick auf Schnucki-Rechner. Das ist die Lösung. Ich könnte als Langeweilebekämpfung ja unterdessen, das Staroffice-Paket auf meinem Ersatzrechner installieren. Das wollte ich sowieso schon lange tun, ich war nur nie dazu gekommen, weil immer Wichtigeres anstand. Also mache ich mich daran und stelle fest. Das die alte 2GB Festplatte zu klein ist. Daraufhin verbringe ich, zwischen durch immer wieder auf die langsam steigende Formatierungsanzeige schielend, eine Stunde damit, Platz zu schaffen, damit ich das sagenumwobene Staroffice auf dem kleinen Pentium2-Rechner installieren kann. Schließlich gelingt es mir genügend Festplattenplatz frei zuräumen und die Installation läuft erfreulich schnell, doch bevor ich die Anwendung starten kann um herauszufinden wie diese Programme funktionieren, ist Putzi-Rechner mit der Formatierung fertig. Inzwischen steht der kleine Zeiger meiner Armband-Uhr zwischen 7 und 8 und mir fällt ein, das mein Kind noch nichts gegessen hat. Na schön, in dieser Ausnahmesituation wird es auch mal ein Wurstbrot tun. Schnell gebe ich meinem Sohn Anweisung sich ein Brot zum Abendessen herzurichten und kehre siegessicher ins Büro zurück um endlich das Betriebssystem zu installieren. Wunder über Wunder eine halbe Stunde später habe ich ein funktionsfähiges Betriebssystem auf der frisch formatierten Festplatte und sogar die problematischen Ethernetkarten, wurden einwandfrei erkannt. Ich beginne zu hoffen, das der Abend vielleicht noch zu retten ist. Doch weit gefehlt. Die Officeinstallation läuft zwar einwandfrei ab, doch anschließend meldet Outlook, das es nicht korrekt installiert wäre und schließt sich wieder kaum das ich den OK-Schalter geklickt habe. Also noch mal alles runter und neu installieren. Selbe Fehlermeldung, selbes Problem und ich weiß nicht warum. Der Zeiger der Uhr kriecht bedenklich schnell auf die 8 zu als ich es endlich geschafft habe die Microsoft-Software zu überreden doch zu funktionieren. Sehnsüchtig denke ich an mögliche Alternativen, doch mir will nichts einfallen das die selben Features bietet. Vergessen ist der Versuch herauszufinden ob Star-Office eine Alternative wäre. Ich beginne all die Programme zu installieren die ich brauche, da schaltet Schnucki vor Langeweile mit einem vernehmbaren Rauschen seinen Bildschirm in den Stromsparmodus. Ich nehme es kaum wahr, zu sehr bin ich darin vertieft alles wieder funktionsfähig zu machen. Die Zeit verrinnt und langsam wird die Festplatte voller. Die Datenstruktur ist herrlich aufgeräumt und übersichtlich. Ich beginne darüber nachzudenken wie ich die vielen gesicherten Daten in eine sinnvollere Ordnung bringen könnte und bin guter Hoffnung bald wieder ein funktionierendes System zu haben. Mein Mann kommt herein um mir mitzuteilen, das er sich zu Bett begibt. Erschrocken blicke ich auf die Uhr, es ist kurz vor Mitternacht. Noch 3 Programme zu installieren und dann die Daten zurückspielen. Ich überlege kurz. Morgen Vormittag steht nichts Wichtiges an. Ich muß nur meinen Sohn in die Schule schicken. Das schaff ich auch mit übermüdeten Augen. Also weiter, ich bin fest entschlossen, das heute noch fertigzubekommen. Endlich ist es geschafft. Alle Programme sind neu installiert. Es ist kurz vor halb 1 und die Kaffeekanne ist leer, Mann und Kind schlafen tief und fest. Draussen fällt der Regen auf eine dunkle verlassene Straße und ich habe noch 3 CD’s mit Daten zu sortieren. Gähnend und gelangweilt koche ich neuen Kaffee und mache mich an die Arbeit. Perfektionistin die ich nun mal bin, habe ich mir natürlich ein unfehlbares System einfallen lassen, damit ich die Daten logisch strukturiert und einfach wiederzufinden ablegen kann. Das diese Systeme regelmäßig spätestens zwei Tage nach der Einführung schon versagen, hat die Vergangenheit zwar des öfteren gezeigt, sonst hätte man ja nicht so ein Chaos auf der Festplatte, daß man die Bilder vom letzten Geburtstagsfest nicht mehr wieder findet. Aber ich hoffe halt doch immer noch irgendwann das perfekte Ordnungssystem zu finden. Fertig, endlich geschafft, alles ist wieder an Ort und Stelle, das System läuft stabil, das Netzwerk auch. Der Internetzugang funktioniert einwandfrei und die Fehlermeldungen sind alle verschwunden. Müde krieche ich um halb 4 ins Bett um kurz darauf vom Wecker aus einem Alptraum gerissen zu werden. Ich habe geträumt es gäbe keine Computer. Eine schreckliche Vorstellung. Ich bin zu sehr Kind meiner Zeit, ich brauche meinen Elektronen-Deppen zum Arbeiten, Organisieren, Spielen, Kommunizieren, kreativ sein und für noch vieles anderes. Nur manchmal beschleicht mich der leise Verdacht, daß es irgendwo Menschen geben könnte, die auch ohne ein Büro mit 4 Computern ein erfreuliches Leben führen. Aber wie gesagt nur manchmal, speziell, wenn ich übermüdet am Bett meines Kindes stehe um ihn für die Schule zu wecken und der Kleine gutgelaunt und ausgeruht aus dem Bett hopst und meint: „Wieso schaust du so zerknautscht aus, Mama?“